An diesem Wochenende bin ich wieder Belgier: Es ist Flandern-Rundfahrt.
Ich wäre jetzt gerne 12. Der Eifer eines Neubekehrten, der sich mit enormer Hingabe Radsport-Fernsehübertragungen widmet, wirkt dann deutlicher weniger peinlich als mit nahezu 40. Noch vor zwei Jahren ging mein Interesse am Radsport nicht über diese drei Juli-Wochen in Frankreich hinaus. So aber gehe ich in dieses Wochenende der Flandern-Rundfahrt wie ein Teenager ins zweite Date. Ein Teenager, der aber zugleich der Welt und vor allem sich selbst einreden möchte, er kenne das alles schon seit immer. Ein pubertierender Veteran. Als speise sich meine Begeisterung aus der jahrzehntelangen Ansammlung von Flandernrundfahrt-Erinnerungen und nicht aus dem Erst- oder Zweiterleben. Weißt du noch 2010, als Cancellara Boonen an der Muur stehenließ?
So aber gehe ich in dieses Wochenende der Flandern-Rundfahrt wie ein Teenager ins zweite Date. Ein Teenager, der aber zugleich der Welt und vor allem sich selbst einreden möchte, er kenne das alles schon seit immer.
Ich studiere in diesen Tagen jeden einzelnen Kopfsteinpflaster-Anstieg des Streckenprofils, von denen ich selbstverständlich weiß, dass sie Bergs oder Hellinge heißen, sauge den GCN-Vorbericht auf, fresse das Kapitel „Vlaanderens Mooiste“ aus dem Buch „The Monuments“ von Peter Cossins. Ich bin stolz darauf, dass dieses Wochenende für die meisten anderen Deutschen bloß irgendein Wochenende ist, für mich aber wie Geburtstag und Weihnachten und erster Sommerferientag zusammen. Gleichzeitig rege ich mich darüber auf, dass sich in meiner Heimat nur ein paar Freaks dafür interessieren, während sie in Belgien ihre Kinder nach dem Sieger benennen werden. Ich kenne die Durchschnitts- und Maximalsteigung des Paterbergs so selbstverständlich wie die Geburtstage meiner Eltern. Und ich sage natürlich nicht Flandern-Rundfahrt, sondern schlicht De Ronde, und das R rotze ich so richtig aus dem Rachen heraus, dabei weiß ich nicht mal, ob das R nicht doch eher vorne kurz hinter den Schneidezähnen gerollt wird. Aber so klingt das R, wie das Rennen am Fernseher aussieht, ein gnadenloser Kampf Mann gegen Mann, Maschine gegen Kopfsteinpflaster. Ich hoffe auf Regen, ich hoffe auf Wind, denn sonst ist es keine Flandern-Rundfahrt. Nicht für uns Belgier.