Wer hätte denn ahnen können, dass ich in drei Monaten gleich drei Artikel über Achterbahnen schreiben würde?

Manchmal muss es schlecht anfangen, um gut ausgehen zu können. Auf Arte (wo sonst?) hatte ich eine Doku übers Achterbahnfahren gesehen. Darin tauchte ein Ehepaar aus Aachen auf, das jedes Wochenende und jeden Urlaubstag auf Achterbahnen verbrachte. Ich hatte gleich den Wunsch, über sie zu schreiben, um zu verstehen, warum Menschen dafür ihre komplette Freizeit aufwenden. Eine Zeitung, die das Ganze drucken wollte, war schnell gefunden. Wir wollten uns im Phantasialand treffen. Doch wenige Tage vorm Termin sagten sie ab. Der Ehemann begründete das mit einem in der Tat unterirdischen Gastbeitrag, den die Zeitung zum Thema Transgender veröffentlicht hatte. Konnte ich verstehen. Außerdem hatte ich sie im Vorgespräch gefragt, ob sie schon mal mit dem Achterbahnwaggon steckengeblieben waren. Offenbar eine Todsünde. Auch beim nächsten Ehepaar holte ich mir eine Abfuhr ab beziehungsweise kassierte der Ehemann die Zustimmung der Ehefrau gleich wieder ein. Waren Achterbahnfans etwa ein sensibles Völkchen? Ich schickte weitere Anfragen in die Welt und hatte plötzlich zwei Zusagen. Da ich keinem absagen wollte, gewann ich für die zweite Geschichte einen weiteren Auftraggeber.

Den ersten Achterbahnfan, Tobias Niepel, traf ich in seiner Wohnung in Düsseldorf. Er beantwortete mir zwei Stunden lang einfach jede Frage, die ich stellte und nicht stellte. Vor allem die Technik interessierte ihn. Sein Wohnzimmer war ein einziger Freizeitpark-Tempel, Poster, Fotos und eine Vitrine mit Andenken, in der unter anderem Achterbahnräder untergebracht waren. Beim zweiten ließen es die Spesen zu, den Mann vor Ort, also im Phantasialand, zu treffen. Ein Samstag im Dezember. Stephan Mantler hatte schon mehr als 1000 verschiedene Achterbahnen gefahren. Ich fuhr zum ersten Mal seit vielen Jahren, und dann auch noch Taron, eine Achterbahn, die auf 117 beschleunigen konnte, ohne dafür auf einen Hügel hochgezogen werden zu müssen (ein so genannter Launch-Coaster). Noch nie hatte ich so viel Angst um mein Leben, anderthalb Minuten lang schrie ich neben dem ziemlich entspannten Mantler, danach war ich so aufgekratzt wie noch nie. Mantler war ein guter Typ, der mit guten Leuten angereist war. Erst durch ihn verstand ich die Faszination: Er hatte einen eher mittelspannenden Job als Teamleiter in einer Krankenkasse, die Achterbahnen waren seine Möglichkeit, jede Verantwortung abzugeben und wieder die Freiheit eines Kindes zu spüren. Ein sehr guter Tag endete damit, dass Mantler einen Eimer Churros kaufte und den Inhalt an alle verteilte.

Er brachte mich außerdem auf meine dritte Achterbahn-Geschichte. Er erzählte mir, dass ein bekannter Achterbahn-Konstrukteur in Krefeld aufgewachsen sei. So traf ich Daniel Schoppen vor einigen Wochen im Videochat, denn in Krefeld wohnte er längst nicht mehr. Das Unternehmen hatte seinen Sitz in Liechtenstein. Auch er war ein Nerd, der daraus aber einen Beruf gemacht hatte. Schoppen trat seriös auf wie ein Finanzbeamter, verwandelte sich aber in ein Kind, sobald er vom Achterbahnbau erzählte und den Plänen, die er noch hatte. Gerade war sein Unternehmen dabei, in Saudi-Arabien die höchste, schnellste und längste Achterbahn der Welt zu bauen. Ich fragte ihn, ob der Auftraggeber genau mit dieser Forderung auf sie zugekommen war. Bitte bauen Sie die höchste, schnellste und längste Achterbahn der Welt. Ja, genau so sei es gewesen.

Der Text über Tobias Niepel ist auf Viernull.de erschienen und hier zu lesen. (Paywall, Einzelkauf möglich)

Der Text über Stephan Mantler ist in der „Welt am Sonntag“ erschienen und hier zu lesen.

Das Porträt von Daniel Schoppen lässt sich auf der Webseite der Westdeutschen Zeitung nachlesen.