Bei meinem Besuch in Dedinghausen habe ich gelernt: Die Zukunft der Zeitung heißt Liebe.

Die wenigsten Leute, die ich für meinen Beruf treffe, geben mir das Gefühl, sich riesig über meinen Besuch zu freuen. Das mag früher anders gewesen sein, als klassische Medien noch eine Bedeutung hatten und Leute noch nicht auf anderem Weg auf sich aufmerksam machen konnten. In Dedinghausen lag die Sache anders. In das westfälische Dorf, einst Lippstadt zugeschlagen, war ich gereist, um über “Dedinghausen aktuell” zu schreiben. Die Dorfzeitung mit ihren Dutzenden Ehrenamtlern trotzte seit 50 Jahren den Gesetzen des Marktes. Jeden Monat aufs Neue lag ein Exemplar in jedem Dedinghauser Briefkasten. Haushaltsabdeckung 100 Prozent, davon kann jede Zeitung nur träumen.

Jedenfalls, in Dedinghausen hatte ich von Anfang an das Gefühl, ich wäre Bundeskanzler und auf Staatsbesuch. Beim Interview im Esszimmer von Heini, inoffizieller Chefredakteur der “D.a.”, servierte man mir selbstverständlich Kuchen aus der lokalen Bäckerei, die Reste davon musste ich selbstverständlich mit nach Hause nehmen. Später nach der Redaktionskonferenz in der Dorfkneipe forderte man mich nachdrücklich dazu auf, doch bitte wie alle anderen was zu Essen bestellen. Selbstverständlich auf ihre Kosten. Ich glaube, Willi, inoffizieller zweiter Chefredakteur, war ausschließlich damit beauftragt, meinen Hungertod schon frühzeitig zu verhindern.

Ich glaube, die ganze Ehrbezeugung hatte recht wenig damit zu tun, dass die Freizeit-Journalisten selbst eine Zeitung machten. Vielmehr damit, dass Leute aus dem Dorf überrascht sind, wenn sich mal jemand für sie interessiert. Mein Artikel sollte auch vom Niedergang der Lokal- und Regionalzeitungen handeln, und ein Grund dürfte sein, dass sie in den Blättern, die sie abonniert haben, kaum noch vorkommen. Wie häufig darf denn der Redakteur vom Glückstädter Tageblatt oder wem auch immer noch das Büro verlassen, um die Menschen, über die er schreibt, zu treffen?

Ich durfte und ich kehrte eine Woche später nach Dedinghausen zurück, als sich zwei Dutzend Dedinghauser:innen in der Dorfkneipe – wo sonst? – traf, um die in Willis Keller ausgedruckten Zeitungsseiten zu 800 Exemplaren zusammenzulegen. So viel Hingabe, so viel Liebe, vom Dorf fürs Dorf. Kein schlechtes Rezept gegen die Medienkrise. Danach luden sie mich noch zu einer Geburtstagsfeier ein, wo ich noch einmal Proviant für die Rückfahrt aufnahm. Sicher war sicher. Darf ich meinen Gemütszustand mit “beseelt” beschreiben?

Der Artikel über die Dorfzeitung ist hier auf Stern.de erschienen (Paywall).