Nur weil ich nie in Discos gegangen bin, heißt das nicht, dass ich nicht drüber schreiben kann. Auch dreimal.
Ohne es zu beabsichtigen, habe ich kürzlich meine Trilogie „Niederrheinische Discos im Wandel der Zeit“ abgeschlossen. Begonnen hatte alles im Februar 2017 mit meinem Besuch in der Diskothek „E-Dry“ am Stadtrand von Geldern (Kreis Kleve). Das war die Disko, in die man in meiner Gegend fuhr, als ich selbst jung war, so ungefähr um die Jahrtausendwende. Ich selbst war als ambitionierter Einzelgänger und Spaß-Abstinenzler nie dort gewesen, ich ging überhaupt nie in Discos. Erst für meinen Artikel betrat ich zum ersten Mal die ziemlich runtergerockte Großraum-Disse.
„In der Erwartung: wird übel. Wird schlimm. Dass ich schon den ganzen Tag Rückenschmerzen habe, liefert mir immerhin eine bequeme Ausrede, Tanzen nicht mal zu versuchen.“
Ein Jahr später befasste ich mich mit der einzigen Disco, die in meiner Heimatgemeinde Uedem (Kreis Kleve) je existiert hat. Sie hatte bereits 1990 dichtgemacht, da war ich sieben. Aber ich hörte danach immer wieder Leute davon erzählen. Der „Schuppen“ war das, was man „berühmt-berüchtigt“ nennt. Bis aus dem Ruhrgebiet reisten die Leute an, sicherlich nicht nur wegen der Rockmusik, die dort lief. Sogar die Bild-Zeitung berichtete über die Drogenszene, die sich um den Schuppen herum bildete, so richtig mit Toten. Doch noch nie war jemand auf die Idee gekommen, die Geschichte der Disco aufzuschreiben. Ganz klar: ich musste. Was ich damals zum ersten Mal so richtig begriff: Wenn du fünf Leute befragst, kriegst du fünf unterschiedliche Versionen des selben Vorgangs zu hören.
„Wer etwas über den Schuppen erfahren möchte, ist auf die Menschen angewiesen, die damals dort waren, meist geboren zwischen 1955 und 1965. Nur erinnern sich diese unterschiedlich und unterschiedlich zuverlässig. Manche wollen erst nach langem Zögern sprechen, manche gar nicht, darunter einer, der der erste Uedemer mit Ghettoblaster gewesen sein soll und heute den Zeugen Jehovas angehört. Einige können auch nicht mehr sprechen, weil sie viel zu früh umkamen.“
Am längsten brauchte ich für den letzten Teil meiner Trilogie. Nicht für Recherche und Schreiben, sondern fürs Warten. Die einzige Disco – und eigentlich ist das schon das falsche Wort – die ich je regelmäßig besuchte habe, war Wienemann in Vynen (Kreis Wesel) am Rheindeich, weil dort auch meine Musik lief. Das Indie-Zeug, das man damals eben so hörte. DJ Matthias fanden wir immer etwas blöd, weil er nicht auf unsere Wünsche einging. Mein Plan war es, ihn und seinen Vorgänger, DJ Norbert, in den Räumen von „Wienemann“ zu treffen, um über damals zu sprechen. Leider war der Besitzer der Gaststätte nicht davon zu überzeugen, uns reinzulassen. Er hatte mit der Sache schon abgeschlossen. Einmal hatte ich seine Frau am Telefon, die sich über mein Interesse furchtbar aufregte. Nach drei Jahren Gequengel gab ich schließlich auf, wir trafen uns auf dem umgebauten Bauernhof von DJ Norbert. Meine größte Herausforderung: Seinen beiden Hunden ein Leckerli geben, damit sie meine Anwesenheit akzeptierten.
„Am Anfang wurde bei Wienemann auch noch geraucht. Da habe ich mir am Samstag aus dem Wäschekorb schon getragene Sachen rausgesucht. Einmal habe ich irgendwo aufgelegt und war überrascht, dass mein Pullover danach noch frisch war. Das war allerdings eine Party von den Zeugen Jehovas“